Gemeinsam sichtbar, gemeinsam erfolgreich
Autor: Dr. Martin Large, CvD all-electronics – Die electronica war ein Schaufenster für die EMS-Industrie – und der neue EMS-Pavillon des EMS Scouts zeigte auf 400 m², wie Teamwork vermeintlich 18 kleinere Unternehmen groß herausbringt.
Wir haben unter anderem nachgefragt, was die Initiatoren und Teilnehmer motivierte, was die Ziele waren und wie sie den Fachkräftemangel sehen.
Die EMS-Industrie ist ein integraler Bestandteil der Elektronikbranche, und die electronica in München stellt eine zentrale Plattform für den Austausch und die Präsentation neuer Technologien dar. Mit der Einführung des EMS-Pavillons auf der Messe wollten die Initiatoren Michael Künsebeck und Matthias Holsten vom EMS Scout insbesondere kleineren und mittleren EMS-Unternehmen die Möglichkeit bieten, ihre Präsenz auf der Messe zu erhöhen. Aber woher kam die Idee, welche Vorteile bietet ein solcher Stand und wann ist solch eine Initiative erfolgreich? Das wollten wir von den Urhebern wissen. Laut Michael Künsebeck entstand die Idee, eine Gemeinschaftsfläche für EMS-Unternehmen zu schaffen, aus der Beobachtung heraus, dass ein Angebot für kleinere und mittlere Unternehmen fehlte, die daher bisher unterrepräsentiert waren. Allerdings ist „die electronica die wichtigste Messe für EMS-Unternehmen in Europa“, so Holsten. „Wir wollten durch ein gemeinsames Konzept insbesondere kleineren und mittleren EMS-Unternehmen eine Messeteilnahme ermöglichen“, ergänzt er.
Gemeinsam mit der Messe München entwickelten sie das Konzept eines EMS-Pavillons mit dem Namen „EMS-Area powered by EMS Scout“, der für eine hohe Sichtbarkeit in der Halle A1 sorgte, die als wichtige Ausstellerhalle für die Branche gilt. Der Gemeinschaftsstand bot den Unternehmen eine Plattform, ihre Dienstleistungen einem breiten Publikum vorzustellen. Laut EMS Scout waren die Vorteile des EMS-Pavillons gegenüber einem individuellen Stand vor allem die größere Sichtbarkeit und der offene Charakter des Pavillons mit einer Fläche von über 400 m² für die 18 teilnehmenden Unternehmen. Im Zentrum des Standes gab es zudem Rückzugsmöglichkeiten für Gespräche mit Interessenten und Kunden sowie einen zentralen Bewirtungsbereich, der für alle Teilnehmer zugänglich war. Zusätzlich wurde die Vermarktung und Werbung durch die Messe München verstärkt, um die Gemeinschaftsfläche besonders hervorzuheben und in die Breite zu tragen. Der EMS Scout unterstützte die teilnehmenden Unternehmen auch bei der Optimierung ihres Messeauftritts. Darüber hinaus übernahmen die Initiatoren die Koordination auf dem Messestand, organisierten eine gemeinsame Networking-Party und stellten eine neutrale Plattform zur Verfügung, um sich über die Branche zu informieren. All dies ermöglichte es den Ausstellern, sich auf ihre Zielgruppen zu konzentrieren. Dabei konnten die Unternehmen verschiedene Adressaten ansprechen:
Neben den eigenen Bestandskunden hatten die Unternehmen auch die Möglichkeit, ihre Lieferanten einzuladen und sich auf einer neutralen Ebene mit Marktbegleitern auszutauschen. Ein wichtiges Ziel blieb die Gewinnung neuer Kontakte. Die hohe Dichte an potenziellen Kunden, darunter Einkäufer, Projektleiter und Entscheider, machten die electronica insgesamt zur idealen Plattform, um bestehende Geschäftsbeziehungen zu pflegen und neue aufzubauen.
Unterschiedliche Perspektiven, gemeinsame Herausforderungen
Die Initiative fällt in die Zeit einer schwierigen Phase der Elektronikbranche – und das spüren auch EMS-Dienstleister. Unterschiedliche Marktbedingungen und individuelle Herausforderungen zwingen die Unternehmen, ihre Strategien anzupassen. Die Teilnahme an der electronica 2024, insbesondere der neue EMS-Pavillon, war für viele eine willkommene Gelegenheit, um sich besser zu positionieren. Das zeigt sich auch daran, dass im Vorfeld der Messe das Interesse an der EMS-Area so groß war, dass die maximale Teilnehmerzahl schnell erreicht wurde. Doch wie schätzen die Aussteller die Lage ein, was sind ihre Erwartungen und wie sehen die Zukunftspläne der Unternehmen aus? Wir haben nachgefragt: Andreas Weissenborn, Vertriebsleiter EMS bei DBK EMS, zeichnet zum Beispiel ein besonders herausforderndes Bild: „Derzeit ist die Lage in der EMS-Industrie äußerst kritisch, da nicht abschätzbar ist, wann der ‘Motor’ endlich wieder anspringt. Unsere Lagerbestände sind nach wie vor hoch und belasten die Liquidität erheblich. Hinzu kommt die zunehmende Regulatorik, die unser Handeln deutlich komplexer und schwerfälliger macht.“ André C. Haiber von Elbe Electronic bestätigt diese Einschätzung: „Die EMS-Branche spürt mehrheitlich Umsatzeinbrüche von 10 % und deutlich mehr; im Auftragseingang oft noch schlimmer.“ Zwar liege auch bei ihm vor allem ein Großkunde deutlich unter dem Vorjahr. Dennoch betont Haiber, dass man durch die Gewinnung neuer Kunden gegen den Markttrend wachsen konnte. Patrick Bethke, Leiter Vertrieb bei micronex, liefert gleich mehrere Erklärungen für die schlechte Lage: „Durch das Ende der Covid-Beschränkungen reagierten unsere Kunden übereuphorisch, wodurch sich Lager füllten. Dadurch sind in diesem Jahr die Auftragsbücher nur sehr schlecht gefüllt.
Hinzu kommen politische Spannungen in der Weltpolitik, die den Markt verhalten reagieren lassen.“ In ein ähnliches Horn stößt Jens Raus, Geschäftsführender Gesellschafter bei Ileso: „Die EMS-Industrie steht unter Druck durch hohe Rohstoff- und Energiekosten sowie Abhängigkeiten von Fernost.“ Gleichfalls kritisch äußert sich Stefan Hauf von Coronex Electronic: „Der Auftragseingang ist massiv zurückgegangen“, und ergänzt als Konsequenz, „wir müssen mit einer reduzierten Auslastung sowie möglichen Freistellungen rechnen.“ Auch die Belastungen durch Auftragsstornierungen und die Unsicherheit in der Planung beschäftigen viele Unternehmen. Alfred und Matthias Lodes von SKP Technik schätzt die kommende Entwicklung als „verhalten“ ein und sieht die Herausforderung darin, „neue Betätigungsfelder zu erschließen.“
Eckhard Oertel von LFG bringt eine zusätzliche Perspektive ein: Die Elektronikproduktion in Europa konzentriere sich seiner Meinung nach, zunehmend auf Projekte, die aus Sicherheits- und Technologiebeschränkungen nicht in günstigere Länder verlagert werden können. „Der Schutz von Know-how und die Fertigung technologisch anspruchsvoller Prototypen in exklusiven Stückzahlen spielen dabei eine zentrale Rolle“, erklärt er.
Gleichzeitig gibt es auch positive Ausnahmen. Oliver Barth von SK-tronic betont, dass sein Unternehmen „durch unsere über 100 Kunden aus verschiedenen Industriebereichen“ weniger von Schwankungen betroffen sei. Auch GBS Electronic Solutions hat es geschafft, in einem schwierigen Umfeld zu wachsen. „Wir haben Vertrieb und Marketing verstärkt, als der Auftragsbestand noch hoch war. Das zahlt sich jetzt aus“, so Geschäftsführer Daniel Frieg.
Wie sehen die Zukunftspläne der EMS aus?
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, setzen EMS-Unternehmen auf verschiedene Strategien, wobei die Digitalisierung ein zentrales Thema ist. Alfred und Matthias Lodes von SKP Technik verweisen auf die Notwendigkeit, sich mit Hilfe von Prozessoptimierungen und KI langfristig zu behaupten. Zudem wollen sie die bereits vorhandene sehr intensive Kundenbetreuung durch die Inhaber und Geschäftsführer beibehalten. DBK EMS möchte sich durch innovative Eigenprodukte und einen höheren Digitalisierungsgrad abheben. SK-tronic strebt eine engere Kundenbindung an und investiert in moderne Technologien wie 3D-Röntgeninspektionen mit Computertomografie, um konkurrenzfähig zu bleiben. In die gleiche Richtung zielt auch die Strategie von Ileso. Jens Raus betont: „Digitalisierung und Prozessinnovationen sind für uns der Schlüssel, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Neben technologischen Investitionen wird auf eine intensive Zusammenarbeit mit Startups gesetzt, um früh an neuen Entwicklungen beteiligt zu sein.
Fachkräftemangel: Unterschiedliche Betroffenheit und Lösungsansätze
Der Fachkräftemangel ist für viele EMS-Dienstleister eine ernstzunehmende Herausforderung – wenn auch hier wieder in unterschiedlichem Ausmaß. Während Patrick Bethke von micronex berichtet, dass der Mangel sie aktuell „nicht so hart“ treffe, sieht er die Problematik langfristig: „Durch ein erhöhtes Durchschnittsalter, vor allem in der Fertigung, ist abzusehen, dass wir Probleme bekommen werden.“ SKP Technik setzt hier auf Automatisierung, um die Abhängigkeit von qualifiziertem Personal zu reduzieren.
Daniel Frieg von GBS Electronic Solutions hebt hervor, wie wichtig die Vereinfachung der Prozesse durch Digitalisierung und KI ist: „Es ist wichtig, die Mitarbeiter, die da sind, zu unterstützen.“ Eine ähnliche Strategie verfolgt SK-tronic mit der Einrichtung einer HR-Abteilung und der aktiven Teilnahme an Jobmessen. André C. Haiber von Elbe Electronic beschreibt die Schwierigkeit, als kleines Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen. Hält dem aber entgegen: „Wenn man als potenzieller Arbeitgeber erst einmal wahrgenommen wurde, entscheiden die Aufgaben, das Gehaltspaket samt Nebenleistungen und die Firmenkultur.“ Daher setzt Elbe Electronic auf ein positives Arbeitsumfeld und Active Sourcing, um Fachkräfte zu gewinnen. Eckhard Oertel von LFG sieht die eigene Ausbildung als essenziell: „Wir bilden Facharbeiter und Ingenieure selbst aus, aber die Bewerberzahlen sind rückläufig und die Qualität der Bewerber hat sich deutlich verschlechtert.“ Um dem entgegenzuwirken, investiert LFG zudem in interne Weiterbildung und flexibles Ressourcenmanagement. Ileso geht den Weg der Nachwuchsförderung durch Ausbildungsprogramme und Praktika, um langfristig gerüstet zu sein. „Wir investieren gezielt in den Nachwuchs und fördern den Aufbau eines starken Teams“, so Jens Raus.
EMS-Areal auf der electronica: Vorteil gemeinsamer Sichtbarkeit
Die Teilnahme an der electronica, und insbesondere am EMS-Pavillon, sahen viele Unternehmen als eine Chance zur Neukundengewinnung und Stärkung der Markenpräsenz. Patrick Bethke von micronex erklärt: „Gerade als KMU ist man auf dem Markt sehr unsichtbar. Für uns war es wichtig, Sichtbarkeit zu generieren.“ André C. Haiber von Ebe Electronic betont ebenfalls die Bedeutung des EMS-Pavillons: „Von der Messeteilnahme erhofften wir uns fachlichen Austausch und viele spannende Kontakte bis hin zu konkreten Prospects/Opportunities.“ Ähnlich äußert sich Daniel Frieg von GBS Electronic Solutions: „Der EMS-Pavillon hat uns die Möglichkeit gegeben, unsere Sichtbarkeit auf dem Markt zu erhöhen und Neukunden zu gewinnen.“ Auch die Möglichkeit, sich mit anderen EMS-Dienstleistern auszutauschen, wird geschätzt: „Es war vorteilhaft, seine Mitbewerber näher kennenzulernen, woraus sich möglicherweise Synergien ergeben“, so Stefan Hauf, Coronex.
Oliver Barth von SK-tronic hebt außerdem hervor, dass der Stand eine kostengünstige Möglichkeit bot, „sich professionell und sichtbar durch einen repräsentativen Stand mit Betreuung zu präsentieren.“ Andreas Weissenborn von DBK EMS hat in der Messe ebenfalls eine wichtige Gelegenheit gesehen: „Die Teilnahme an der electronica war eine Chance, unsere Sichtbarkeit zu erhöhen und Neukunden zu gewinnen.“ Trotz kleinerer Unterschiede in den individuellen Zielen teilten alle die Hoffnung auf eine neue intensive Vernetzung und zusätzliche Geschäftskontakte. Der Erfolg des Gemeinschaftsstandes wird im Nachgang daran gemessen werden, wie zufrieden die teilnehmenden Unternehmen mit ihrer Messebeteiligung waren und welche Verbesserungspotenziale sie für die Zukunft identifizieren. Der EMS Scout ist davon überzeugt, dass der EMS-Pavillon ein wichtiger Bestandteil der electronica bleiben wird und weiterhin zur Stärkung der EMS-Branche beiträgt.