Gute Zeiten, schlechte Zeiten – der EMS-Markt in der Großwetterlage

Mittelständischen Unternehmen fällt angesichts der anhaltend guten Auftragslage die Weitsicht schwer auf harte Folgejahre. Matthias Holsten, Branchenexperte in der Hightech-Elektronik, schaut besorgt auf den derzeitigen Wirtschaftsindex – und macht gravierende Verhaltensfehler aus, insbesondere bei mittelständischen EMS-Dienstleistern.

„Erfolg macht träge“, sagt der Volksmund. Eine Binsenweisheit, der man tunlichst mit Weitsicht begegnet. „Dass diese Erkenntnis auch von EMS-Dienstleistern nicht gesehen wird, ist an ihrer Haltung erkennbar“, meint Matthias Holsten, „so traurig es ist, aber ich erlebe ihn immer mal wieder, diesen Punkt im Gespräch, ab dem ich einen Unternehmer nicht mehr erreiche. Man nickt, pflichtet dem Warnruf bei und geht zur Tagesordnung über.“ Dabei geht es dem gebürtigen Hamburger in seinen Gesprächen vornehmlich darum, grundsätzliche Verhaltensfehler aufzuzeigen, Ansätze zu bieten, künftig aufziehende Gefahren zu vermeiden. Im Wesentlichen macht Holsten folgende „wirtschaftsklimatischen“ Probleme für die prophezeite Wetterwende aus:

  1. Das Geschäft boomt: Gerangel um gute Fachkräfte

Anders als in anderen Ländern zeigt der EMS-Markt in Deutschland eine hohe Unternehmensdichte. Ein Zirkelschlag auf der Karte im Aktionsradius um den eigenen Standort verdeutlicht, warum es besonders „in Zeiten des Specks“ zur Personalknappheit kommt: Gegenseitiges Abwerben im regionalen Dunstkreis mit steigenden Personalkosten sind die Folgen. Ein Blick über den regionalen Tellerrand hinaus tut not: Die voraussichtlich langfristige Abwertung des britischen Pfunds als Folge des Brexits, gäben EMS-Dienstleistern hierzulande die Chance, an gute Fachkräfte zu gelangen – aufgrund des starken Euros zu deutlich geringeren Lohnkosten. Auch der Blick nach Osteuropa kann Abhilfe schaffen. In Deutschland geht es zudem beileibe nicht allen EMSlern gut. 20 Prozent fahren trotz guter Konjunktur Verluste ein, vier Prozent sind nahezu insolvent. Wer sich hier beim Personal-Scouting rechtzeitig umhört, kann möglicherweise punkten.

  • Bauteilsuche – fremdbestimmt, durch fehlende Allianzen

Die geringe Verfügbarkeit von Bauteilen ist ein „Auftragskiller“. Die weltweit vorherrschende Knappheit ist die schlimmste seit rund 30 Jahren. Wer hier als Mittelständler punkten will, muss für das Thema Zeit mitbringen. Die Bildung von Einkaufszirkeln sind inzwischen wichtige Notgemeinschaften. Berührungsängste und Futterneid sollten der Vergangenheit angehören. Zudem gibt es mittlerweile Software, mit der die BOM übers Netz direkt umgesetzt wird. Der Einkauf erhält so bessere Transparenz über Preise, Bezugsquellen und Lieferzeiten. Alle Möglichkeiten sollten zudem dazu führen, die inzwischen notwendige Suche nach wertmäßigen Bauteilen im Cent-Bereich durch Minimierung der hohen Recherchekosten drastisch zu senken.

  • Wenn Erfolg zum Bumerang wird:

Es ist eine Kettenreaktion, die abläuft, wenn Fachkräfte-Monitoring und Bauteilmanagement dem erkennbaren Auftragszuwachs nicht vorauseilen. EMS-Dienstleister kommen schnell ins Schwitzen, wenn die Kapazität ihr Limit erreicht. Der nominale Umsatzzuwachs täuscht nicht darüber hinweg, dass notgedrungene Projektvergabe an Subunternehmer, zu teurer Bauteileinkauf und steigende Lohnkosten die Marge arg in Mitleidenschaft ziehen. Die „fetten Jahre“ fallen dann nicht besonders üppig aus. Läuft es unglücklich, bleibt kaum Bunkergeld für Investitionen.

  • Akquisition: Keine Zeit, kein Personal fürs Neugeschäft

Läuft die Produktion auf Hochtouren, wird das Neugeschäft personalbedingt auf Eis gelegt. Gefährlicher Umsatzverlust besteht, wenn bei Konjunktureinbruch die Akquisition zu spät greift. Neukontakte, die in Projektaufträge münden, brauchen nicht selten mehr als ein Jahr. Wer es in guten Jahren angeht, Unternehmen und Leistung als Marke aufzubauen, eine Besonderheit daraus macht, wird weniger austauschbar, kann das Preisniveau auch in schlechteren Zeiten besser festigen. 

Trotz aller Unkenrufe sieht Matthias Holsten auch einen Silberstreifen am Horizont: „Wer sich im Neugeschäft auf Trends einstimmt, muss nicht ins Gerangel in margenschwachen, besetzten Märkten.“ So nennt er Smart Home-Sprachsteuerung, den 3-D-Druck oder Entwicklerboards für elektronische Projekte, beispielhaft als lukrative Märkte.

26. Oktober 2018

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